Konnatale Toxoplasmose trotz Screening - warum?

A. Trojovskya,b, Christa Fastb, Astrid Lercherc, Barbara Pertlc, Regina Gratzld, Angelika Vander-Mösee, H. Roseggerb

Diese Seite basiert auf einem Artikel im
"Mitteilungsblatt der Österreichischen Gesellschaft für Tropenmedizin und Parasitologie"
Mitt. Österr. Ges. Tropenmed. Parasitol, 20:71-78, 1998
Sprache: Deutsch, Abstract: English (Congenital Toxoplasmosis despite a well established program for screening)
Link: Mehr über Konnatale Toxoplasmose (Englisch)

Einleitung

Österreich hat seit Einführung des Mutter-Kind-Passes ein gut etabliertes Screening-Programm zur Diagnose von Toxoplasmoseinfektionen in der Schwangerschaft. [7] Dessen Ziel ist es, durch die Identifikation der frisch infizierten schwangeren Frauen und deren Behandlung eine fetale Infektion zu verhindern. [8] Die Zahl der an konnataler Toxoplasmose erkrankten Neugeborenen nahm dadurch stark ab. Dennoch kommen sowohl konnatale Toxoplasmoseerkrankungen als auch subklinische Infektionen, die häufig zu Spätfolgen führen, vor. [10,17]

Maßnahmen zur Verhütung der konnatalen Toxoplasmose lassen sich drei Gruppen zuordnen:

1. Die Primärprophylaxe trachtet durch Information über die Infektionswege eine Frischinfektion seronegativer Schwangerer zu verhindern. [5,23]

2. Die Sekundärprophylaxe umfaßt die Identifikation der frisch an Toxoplasmose erkrankten Schwangeren durch serologische Untersuchungen sowie deren Therapie, um eine fetale Infektion zu verhindern. Dabei erfolgt die erste Untersuchung im ersten Trimenon. Bei seronegativen, das heißt ungeschützten schwangeren Frauen erfolgt eine Testwiederholung im 2. sowie 3. Trimenon. [1,3]

3. Die Behandlung des infizierten Fetus sowie von Neugeborenen zur Begrenzung der Gewebsdestruktion sowie zur Verhinderung der Langzeitmorbidität ist die Tertiärprophylaxe. [4]

Auf der Suche nach Faktoren rund um die Entstehung der konnatalen Toxoplasmose untersuchten wir zwei Aspekte:

1, Wie steht es um die Information seronegativer Schwangerer über die Gefahren einer Infektion?

2, Welche Intervalle bestanden bei den Müttern der an konnataler Toxoplasmose erkrankten Kinder zwischen den serologischen Testungen?

1. Wissenstand zur Vermeidung einer Infektion

Wir befragten 46 für Toxoplasmose seronegative Schwangere zu Beginn des 2. Trimenons über ihren Wissensstand und ihre Information, welche sie zur Verhütung einer Toxoplasmoseinfektion erhalten hatten.

Die Untersuchung wurde an einer humangenetischen Beratungsstelle in Graz durchgeführt. Es wurden Frauen, die zwischen Juni und September 1997 aus Gründen, die nichts mit Toxoplasmose zu tun hatten, zu einem Beratungsgespräch kamen, soweit sie für Toxoplasmose seronegativ waren und das Ergebnis im Mutter-Kind-Paß eingetragen war oder sie ein Befundblatt beigelegt hatten, befragt.

Im Rahmen eines semistrukturierten Interviews wurden folgende Fragen gestellt:

Verzeichnet wurden die spontanen Antworten. Die Auswertung erfolgte nach Zuordnung zu den Kategorien: "Katzen", "Fleisch", sowie "Gemüse/Obst/Kräuter etc. ".

Ergebnisse

Von den 46 befragten Frauen konnten 21 den Begriff "Toxoplasmose" einordnen. 10 gaben an, daß sie von Ihrer betreuenden Ärztin bzw. ihrem Arzt auf das Thema Toxoplasmose angesprochen wurden. Zwei hatten auch ein Informationsblatt mit einer Erklärung der Übertragungswege sowie den Möglichkeiten einer Infektionsvermeidung erhalten. Allein oder zusätzlich aus anderen Quellen bezogen 15 ihre Informationen. Am häufigsten wurden Bücher oder Zeitschriften (9x) genannt. Drei Frauen waren selber Ärztinnen, 2 erinnerten sich aus der letzten Schwangerschaft und eine wurde durch ihre Schwester, die in der Schwangerschaft wegen einer Toxoplasmoseinfektion behandelt wurde, informiert.

An möglichen Ansteckungswegen wurden zu einem Drittel Katzen genannt, gefolgt von rohem Fleisch. Beide Infektionswege wurden von einem knappen Viertel der Frauen genannt, 3 wußten auch um andere Infektionswege.

 

2. Serologisches Screening

Retrospektiv wurden die Schwangerschaftsdaten aller in den Jahren 1992 - 1996 an der Ambulanz der Universitätsfrauenklinik Graz betreuten Frauen mit frischer Toxoplasmoseinfektion in der Schwangerschaft sowie deren Neugeborener, die an der Früh- und Neugeborenenstation betreut wurden analysiert. In diese Untersuchung wurden 78 Frauen aufgenommen. Die Diagnostik und Therapie erfolgten laut dem in Österreich empfohlenen Schema. [25]

Daten aus der Schwangerschaft

In diese Gruppe fallen sowohl Frauen, die bei der Erstuntersuchung in der laufenden Schwangerschaft noch seronegativ waren und bei einer Folgeuntersuchung eine Serokonversion zeigten (n=24), als auch Frauen, bei denen bereits der erste Test für Toxoplasmose positiv war, und der Titerverlauf bzw. IgM-Tests die Diagnose einer Frischinfektion sicherten bzw. nahelegten (n=54) [14,21]. Bei 61 wurde eine Amniozentese zur Durchführung einer PCR-Untersuchung durchgeführt [16].

Im Ultraschall zeigten sich bei 4 Feten pathologische Veränderungen, die als Zeichen einer manifesten Toxoplasmose gewertet wurden.

Bei 2 bestätigte sich der Befund, Kinder mit manifester konnataler Toxoplasmose wurden geboren.

Bei einer Frau war bereits das erste serologische Testergebnis in der Schwangerschaft positiv. Durch ein negatives PCR-Ergebnis aus dem Fruchtwasser konnte eine fetale Infektion bis zum Punktionszeitpunkt ausgeschlossen werden. Trotzdem zeigte sich im pränatalen Ultraschall die Entwicklung eines Hydrozephalus, was zuerst an der korrekten Diagnosestellung Zweifel aufkommen ließ. Das Kind verstarb postpartal an Gehirnfehlbildungen. Histologisch und serologisch fehlten die für Toxoplasmose typischen Zeichen, so daß eine nichtinfektiöse Genese der Malformationen angenommen werden muß.

In einer Schwangerschaft mit positiver Toxoplasmoseserologie in der 11. SSW erfolgte eine Therapie. Eine fetale Infektion wurde durch eine PCR-Untersuchung ermittelt. Auf Grund eines pathologischen Ultraschallbefundes (Ascites, Hepatosplenomegalie) entschloß sich die Frau zu einer Interruptio. Das Obduktionsergebnis zeigte keine toxoplasmosetypischen Veränderungen, eine manifeste Erkrankung lag daher nicht vor [20].

Aus der Zusammenstellung der pränatalen Befunde (serologischer Verlauf, Ultraschall, und, soweit vorliegend, PCR) erfolgte eine vorläufige Zuordnung der Feten zu einer der Gruppen: manifest erkrankt, infiziert, und nicht infiziert.

Pädiatrisches Follow-up

Nach der Geburt wurden diese Kinder nach 6 Wochen, 6 Monaten sowie 1 Jahr klinisch, serologisch, sowie ophtalmologisch untersucht. Damit ließ sich eine abschließende diagnostische Zuordnung (nicht infiziert, subklinisch oder manifest erkrankt) treffen. Alle infizierten Kinder wurden nach dem gebräuchlichen Schema mit Sulfadiazin und Pyrimethamine, alternierend mit Spiramycin, therapiert.

76 Kinder konnten bis zur Sicherung der diagnostischen Zuordnung nachkontrolliert werden. 3 Kinder, die nach den Schwangerschaftsdaten der Gruppe "wahrscheinlich nicht infiziert" zugeordnet wurden, konnten aus organisatorischen Gründen (Übersiedlung, ..) nicht erfaßt werden.

In keinem Fall mußte die vorläufige Diagnose revidiert werden.

Ergebnisse

Die 79 Kinder der 78 in die Untersuchung aufgenommener Frauen wurden folgenden Gruppen zugeordnet:

Beim Vergleich der Zuordnung der Daten der Kinder mit den Schwangerschaftsdaten [Tabelle 1] zeigte sich, daß bei den beiden manifest Erkrankten eine Serokonversion stattgefunden hatte und das Testintervall mehr als 3 Monate betragen hatte. Bei der Gruppe der subklinisch infizierten lag in der Hälfte der Fälle eine Serokonversion vor, bei diesen lag das Testintervall vor der Diagnose im Schnitt bei 13 Wochen, das kürzeste Intervall bei 6 Wochen.

 

Anzahl serologische Gruppe nach Serokonversion: Testintervall in Wochen
manifeste Erkrankungen 2 SC
SC
13
16
subklinische Infektion (PCR positiv und/oder Serologie) 12 6 PHT
6 SC

 

20
6
11
14
15
13

keine fetale/kindliche Infektion 62 39 PHT
23 SC
 
wahrscheinlich keine fetale/kindliche Infektion 3 3 PHT  

n=79
Tabelle 1:
Diagnostische Zuordnung und serologische Testintervalle in der Schwangerschaft zu den infizierten Kinder (SC:Serokonversion, PHT:primär hoher Titer)

Diskussion

Die Primärprophylaxe kann laut Literatur die Serokonversionsrate deutlich senken. FOULON et al. [13] untersuchten den Effekt eines systematisch angewandten primären Präventionsprogrammes. Sie zeigten ein Absinken der Serokonversionsrate in der Schwangerschaft um 63% (p=0,013).

Ob das für Österreich auch zutrifft, ist unseren Wissens nach noch nicht ausreichend nachgewiesen. Das niedrige Wissensniveau läßt positive Resultate eines Primärpräventionsprogrammes erhoffen [22].

Das systematische serologische Screening in Österreich konnte die Inzidenz der konnatalen Toxoplasmose deutlich senken [2,26]. Das Verkürzen der Intervalle zwischen den serologischen Tests scheint eine weitere Reduktion erwarten zu lassen. Der erste Test sollte darüber hinaus möglichst frühzeitig in der Schwangerschaft erfolgen [15]. Dabei wird es immer zu einem Kompromiß zwischen möglichst hoher Sicherheit einerseits (also kurze Testintervalle) und Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit andererseits kommen müssen [19]. In die ökonomischen Überlegungen sind auch die regionalspezifischen Prävalenzraten und das damit korrelierende Gefährdungspotential einzubeziehen [9,12,18].

Zusammenfassung

Österreich hat seit Einführung des Mutter-Kind-Passes ein gut etabliertes Screening-Programm nach Toxoplasmoseinfektionen in der Schwangerschaft. Dennoch kommen sowohl konnatale Toxoplasmoseerkrankungen als auch subklinische Infektionen, die häufig zu Spätfolgen führen, vor.

Wir analysierten retrospektiv die Schwangerschaftsdaten aller in den Jahren 1992 - 1996 an der Universitätsfrauenklinik Graz betreuten Frauen mit frischer Toxoplasmoseinfektion in der Schwangerschaft sowie deren Neugeborene, die an der Früh- und Neugeborenenstation nachbehandelt und nachkontrolliert wurden. Dabei zeigte sich, daß die Mütter der erkrankten Kinder meist ein längeres Testintervall vor der Diagnose einer Serokonversion aufwiesen.

Weiters befragten wir 46 für Toxoplasmose seronegative Schwangere zu Beginn des 2. Trimenons über ihren Wissensstand und ihre Information, welche sie zur Verhütung einer Toxoplasmoseinfektion erhalten hatten. 35 hatten kein oder ein äußerst mangelhaftes Wissen, nur 2 hatten eine Informationsbroschüre erhalten.

Zur weiteren Reduktion der konnatalen Toxoplasmose stellen wir zweierlei zur Diskussion:

 

Literatur

 

Institutionen der AutorInnen:


Letzte Änderung: 20. August 2000
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